Yoga und übernatürliche Kräfte
Yoga wird als Ausgleichssport immer populärer, und einige Übungen sind gut, um den Körper fit zu halten. Im alten Indien hatte Yoga ursprünglich das Ziel, die Einheit mit dem göttlichen Prinzip zu erreichen. Die körperliche Disziplin sollte dabei auch mental auf höhere geistige Ebenen vorbereiten. Durch Selbstbeherrschung und Konzentration konnten sich übernatürliche Fähigkeiten einstellen, die als „Riddhis und Siddhis“ bezeichnet werden. Solche Nebenerscheinungen auf dem Weg des Yoga traten dann immer mehr an Stelle des ursprünglichen Ziels.
Die bei uns bekanntesten dieser übernatürlichen Kräfte sind z.B. Hellsehen, Gedankenlesen, Geistheilen, es gibt aber wesentlich mehr. Sie alle sind Hindernisse auf dem Weg zu wirklichem spirituellen Fortschritt. Die wenigen, die tatsächlich höhere geistige Ebenen erreichten, haben diese Kräfte immer beiseite gelassen und davor gewarnt. Nie haben sie diese benutzt, um Menschen damit anzuziehen.
Dr. Harbhajan Singh erklärte dies am Beispiel von Bulleh Shah, einem indischen Mystiker des 18. Jahrhunderts, dessen Gedichte im Punjab bis heute sehr beliebt sind und oft gesungen werden:
„Wie ihr vielleicht wisst, übte Bulleh Shah zuerst Hatha Yoga aus. Dadurch verfügte er über viele Riddhis und Siddhis, und mit diesen übernatürlichen Kräften begann er, die Menschen zu beeinflussen.
Eines Tages kam er zu Inayat Shah, einem Sufi-Heiligen, der Gärtner war. Was machte Bulleh Shah? Mit Hilfe dieser Wunderkräfte ließ er eine Mango in seine Tasche gleiten – nur durch seine Aufmerksamkeit, ohne dass er sie mit den Händen pflückte. Das ist eine der Wunderkräfte.
Die Menschen staunten, wie das möglich sei und dachten: „Das ist wirklich ein Heiliger, der so etwas kann.“ Aber er war kein Heiliger. Er hatte einige übernatürliche Kräfte erworben, und diese Wunderkräfte sind mit verschiedenen astralen Kräften (Wesen) verbunden, die man nicht sehen kann. Sie stehen zur Verfügung, man braucht ihnen nur befehlen, dieses oder jenes zu tun – sie werden es im Namen dessen tun, der es ihnen aufgetragen hat.
Es sind dann nicht diese Kräfte dafür verantwortlich, sondern es schadet dem, der es ihnen befohlen hat und unter ihrem Einfluss steht.
Bulleh Shah begann also diese Wunder zu zeigen, aber als er das bei Inayat Shah tat, kam dieser sofort auf ihn zu und fasste ihn bei der Hand. Er sagte: „Du bist mein Dieb.“ Bulleh Shah erwiderte: „Nein, ich bin kein Dieb, ich habe die Mango nicht mit der Hand berührt.“
Inayat Shah entgegnete: „Nein, das kenne ich. Vor langer Zeit habe ich auch solche Dinge getan, aber damit habe ich aufgehört. Ich kenne die Fangarme (dieser Kräfte) und weiß, wie man sie kontrolliert.“ Daraufhin gab Bulleh Shah sich geschlagen. „Meister, was ist dann Spiritualität? Wie soll man leben, um sein Erbe zurück zu erlangen?“
Inayat Shah sagte: „Was du machst ist herumspielen wie ein Kind, das ist keine Spiritualität. Du kannst dich als weise darstellen, aber das ist eine falsche Weisheit. In den Augen der Heiligen hat das keinen Wert. Es sind kindische Spielereien, die du treibst. Was bringt es? Nichts. Du wirst fehlgeleitet, es bringt dich aus diesem Bereich nicht heraus, du bleibst ein schwankendes Gemüt im Dschungel der Welt.“
Daraufhin fragte Bulleh Shah: „Wie ist es dann möglich (spirituell zu leben)?“ Inayat Shah gab zur Antwort: „Bulleh, es geht einzig darum, die Aufmerksamkeit von hier nach dort zu lenken.“ Er verpflanzte damals gerade Zwiebelsetzlinge. Erst grub er sie alle zusammen aus und setzte sie dann einen nach dem anderen in ein Feld. So sagte er: „Es geht ums Umsetzen – von einem Feld in ein anderes. Es ist eine Sache der Aufmerksamkeit, es geht darum, sie von einem Ort abzuziehen und sie an die richtige Stelle zu lenken und dort zu fixieren.“
Hier (am dritten Auge) ist das „Feld“. Was ist mit diesem Feld gemeint? Wenn wir z.B. Chilis anbauen, bringt ein Chilisamen, den wir säen, hunderte Chilis hervor. Aber wenn wir im selben Feld einen Mangokern setzen, wird der Mangobaum hunderte Mangos hervorbringen. Die Schärfe der Chili und die Süße der Mango kommen vom selben Feld. Wer muss also entscheiden (was er pflanzen will)? Der, der die Frucht davon ernten wird. Es hängt von uns ab, ob wir für uns Chilis pflanzen oder Mangos. Es ist der Mensch, der unterscheiden muss.