Liebe und Sehnsucht
Es heißt, wer die Liebe in sich selbst findet, wird in der ganzen Welt keinen Rivalen haben. All seine Schwierigkeiten sind beendet, er hat keinen Feind in der Welt, für ihn ist nichts ein Problem, denn er fand die Quelle der Liebe in sich.
Dr. Harbhajan Singh
Aus Vorträgen von Dr. Harbhajan Singh:
Sant Kirpal Singh erklärte auf wunderbare Weise, was für eine Kunst es eigentlich ist zu lieben. In der Welt wird die Liebe verleumdet, denn das, was wir Liebe nennen, ist eigentlich keine Liebe. Wir lieben vergängliche Dinge, und so wie sie vergehen, vergeht auch unsere Liebe. Aber die Liebe Gottes ist unvergänglich, sie besteht für immer. Diese Liebe gibt uns ewiges Leben, eine ständige, unlösbare Verbindung mit der Gotteskraft. Sie bleibt immer frisch und ändert sich nicht immerzu.
Wenn man an einem Ort verwurzelt ist, beginnt man dort zu wachsen. Sant Kirpal Singh sagt: „Wenn ihr in jemandes Herzen lebt, wird er ganz von selbst beginnen, in eurem Herzen zu leben.“
Diese beiden Kräfte, unser Selbst und der Vater, leben in diesem heiligen Körper. Wo müssen wir also hingehen, wo erhalten wir diese Liebe? – Im menschlichen Körper, nicht im Äußeren. Es heißt, wer die Liebe in sich selbst findet, wird in der ganzen Welt keinen Rivalen haben. All seine Schwierigkeiten sind beendet, er hat keinen Feind in der Welt, für ihn ist nichts ein Problem, denn er fand die Quelle der Liebe in sich.
In welchem Zustand sind solche Menschen? Ihre Aufmerksamkeit ist von Liebe durchdrungen. Erst erfüllt sie diese Liebe im Innern bis zum Überfließen, und wenn sie dann nach außen geht und in der Welt wirkt, wird auch dort jeder mit Liebe beschenkt. So ist der Zustand eines Menschen, der ständig durch die Liebe mit der Meisterkraft, der Gotteskraft im Innern in Berührung ist. Liebe verschönt alles.
Wer erlangt diese Liebe? Wer all seine Wünsche hingibt, wird mit dieser Liebe beschenkt, Gott liebt ihn. Wem sollten wir alle Wünsche hingeben? – Gott. Wer das tut, wird von der Gotteskraft geliebt.
Es wird berichtet, dass Majnu Laila sehr liebte und der König dachte: „Laila muss ein sehr schönes Mädchen sein, wenn Majnu sie so sehr liebt, dass er in sie ganz vernarrt ist.“ Aber als er sie sah, sagte er: „Sie ist nur ein ganz gewöhnliches Mädchen.“ Doch ein anderer erwiderte: „Wollt ihr die Schönheit Lailas sehen, müsst ihr sie mit Majnus Augen betrachten.“ Wollt ihr also die Liebe Gottes sehen und sie in eurem Herzen erfahren, nehmt Wohnung in den Augen dessen, der bereits von dieser Liebe berauscht ist, dessen Augen überfließen von Gottes Liebe. Einen anderen Weg gibt es nicht.
Wie erlangt man diese Gnade, diese Liebe? Die Meister sagen: „Wenn man die Schale unter den Krug hält, wird sie gefüllt, ist sie aber über dem Krug, bleibt sie leer.“ Guru Nanak sagt: „O Gott, die ganze Welt steht in Flammen!“ Was sind das für Flammen? Es ist kein äußeres Feuer, aber ein Feuer, das sich außen (in der Welt) auswirkt, das Feuer des Gemüts. Das Gemüt entzündet das Feuer auf der Ebene der Sinne. Und weiter fragt Er: „Was gibt es für ein Heilmittel dafür?“ und fügt hinzu: „Wenn irgendjemand nur seinen Kopf hebt, halte Deine gnadenvolle Hand über ihn.“ Wenn Gott Seine gnadenvolle Hand über jemanden hält, ist Er sehr gütig zu ihm, und man kann alles von Ihm erbitten. (Das ist möglich) wenn jemand empfänglich wird und zu Ihm betet: „O Gott, ich brauche Dich, nichts sonst brauche ich in dieser Welt.“ Denn die ganze Welt leidet schrecklich durch die Verhaftungen. Das ist eine Möglichkeit.
Die zweite ist ein ständiges Gebet. Ständiges Gebet bedeutet, mit jedem Atemzug an Ihn zu denken. Jeden Moment sollten wir uns an diese Kraft erinnern. Jetzt aber ist unser Herz von weltlichen Verhaftungen erfüllt. Wie können wir es dazu bringen, ständig liebevoll an Gott zu denken? Zwei Dinge sind nicht gleichzeitig möglich. Entweder wird Er (in eurem Herzen) bleiben oder die Welt. Wenn ihr an Ihn denkt, wird Er versuchen, in eurem Herzen Wohnung zu nehmen; Er wird in euch Platz nehmen, und alles andere wird euch verlassen. Liebevolles Denken an Ihn, sehr liebevolle Erinnerung an Ihn (sind der Weg dahin).
Zu Lebzeiten von Kabir gab es einen König namens Ibrahim Adam. Er war der König von Buchara. Er war in diesem Zustand der ständigen liebevollen Erinnerung an die Gotteskraft. In einer mondhellen Nacht, um die Mitternachtsstunde, war der König auf dem Dach seines Palastes und dachte an Gott: „O Gott, komm zu mir.“ Während alle anderen schliefen, wachte er. Sein Gebet wurde erhört, und Kabir materialisierte und manifestierte sich dort.
Wenn jemand erwacht ist, kommt die Meisterkraft zu ihm. Aber es ist sehr schwierig zu erwachen. Wer kann erwachen? Wer sich über die Ebene der Sinne erhebt. Wenn die anderen schlafen, ist er wach.
In welchem Zustand verbringen wir unsere Nächte? In Leidenschaft, im Tiefschlaf und in Träumen, Träumen von der Welt. Das geschieht tagtäglich, und so denken wir nicht an die Gotteskraft. Wann aber hört uns die Gotteskraft? Wenn wir wach sind, während die anderen schlafen, hört Er uns. Es heißt, wer seine Nächte vollkommen gemacht hat, hat sich selbst vervollkommnet. Wessen Nächte verdorben sind, wird selbst verdorben. Wer etwas erreicht hat, der nützte die Zeit, in der man schläft, der nützte die Nächte. Wie schön ist es, in der Nacht wach zu sein – seht, wie ruhig und friedlich es draußen ist, alle schlafen, alles ist ganz klar. Alles, was ihr sucht, könnt ihr erlangen. Ihr wollt Gottes Liebe? Er sucht jemanden, der wirklich erwacht ist.
Kabir materialisierte sich also physisch (auf dem Dach des Palastes). Der König wandte sich nach ihm um und fragte: „Wer bist Du?“ Kabir erwiderte: „Ich habe mein Kamel verloren.“ „Wie könnte ein Kamel auf das Dach meines Palastes gelangen?“ Da sagte Kabir: „Wenn mein Kamel nicht auf das Dach gelangen kann, so kannst auch du die Liebe Gottes, der in dir ist, nicht erlangen, solange du nicht von deinem Palast heruntersteigst.“ Dann gab Kabir ihm die Adresse, wo Er zu finden war. „Wenn du mehr erfahren möchtest, komm nach Indien, an diesem Platz wohne ich.“ Dann war es, als mischte Er sich mit der Luft, und Kabir war verschwunden.
Ihr wisst, die Meisterkraft kann sich materialisieren und manifestieren. Er kann hunderttausend Formen gleichzeitig annehmen – das ist ein Meister. Man nennt Ihn das personifizierte Wort. Er hat die Macht, überall hinzugehen, Er ist die wirkende Gotteskraft. Man nennt Ihn „wirkende Gotteskraft“, weil Er überall in der Welt wirkt, nicht nur in dieser Welt, sondern in allen drei Welten. Diese Kraft hat also alle Möglichkeiten, überall, in der gesamten Schöpfung, ihre Kraft, ihre Aufmerksamkeit wirken zu lassen. Er ist also diese wirkende Gotteskraft. Und diese Kraft war damals in Kabir verkörpert.
Der König kam nach Indien und begann, bei Kabir in der Küche zu dienen. Als er bereits sechs Monate dort gearbeitet hatte, sagte Kabirs Frau zu Kabir: „Meister, er ist schließlich ein König, du solltest ihm die Initiation (Einführung in die Meditation) geben; alle Untergebenen seines Reiches warten auf ihn, er muss zurückkehren; ich denke, er ist bereit für die Initiation.“ Kabir erwiderte: „Nein, er ist nicht bereit für die Initiation. Wenn er früh am Morgen aus dem Haus geht, wirf Abfall vom Dach auf seinen Kopf (und höre, was er sagt).“ Sie machte es so. Der König blieb stehen und sagte: „Wenn das in Buchara geschehen wäre, hätte ich dich mit dem Tode bestrafen lassen!“
Kabir sprach: „Das Ego der Könige ist immer noch in seinem Herzen. Er hat den Stolz eines Königs noch nicht aufgegeben, er braucht noch Zeit, um für die Initiation bereit zu werden. Er wird die Initiation erhalten, aber es wird noch dauern.“ Weitere sechs Monate vergingen, dann sagte Kabir: „Jetzt ist er bereit.“ Und Mata Loi, Seine Frau, sagte: „Meister, für mich ist kein Unterschied zu sehen.“ Kabir erwiderte: „Zum Abfall des Hauses mische auch noch Urin und Kot aus den Nachttöpfen dazu und schütte es ihm über den Kopf.“ Sie tat es, und der König blieb stehen und sagte: „O Gott, ich bin noch schlechter als das, bitte segne mich.“ Daraufhin gab Kabir ihm die Initiation. (Dann kam die Zeit, als er in sein Reich zurückkehren sollte.) Er war nun ein Schüler, aber er war die personifizierte Liebe, er erhielt alle Liebe von seinem Meister. Er sagte: „Warum sollte ich in ein Königreich zurückkehren, das so klein ist, wenn die ganze Schöpfung zu Seinen Füßen liegt und Seinem Befehl gehorcht.“ Das ist Liebe. Sie ist etwas, das immer stärker wird. Wie sieht aber unser jetziger Zustand aus? Unser Gemüt ist mit der Welt identifiziert und schafft uns viele Probleme. Ein bewußter Mitarbeiter am göttlichen Plan, der sich auf der Ebene der Seele in der Welt identifiziert, verteilt überall Liebe, er bringt überall Liebe ein, ohne etwas seinerseits anzunehmen. Wenn ihm Hass entgegengebracht wird, versteht er damit umzugehen; er weiß, wie man Hass in Liebe verwandelt.
Wenn also die Meister in die Welt kommen, bringen sie eine große Revolution in Gang. Was für eine Revolution? Sie bewirken eine Revolution im Herzen des Menschen. Sie verändern den Menschen nicht im Äußeren. Sie sagen: „Gut, bleibt, wo ihr seid (in der Gemeinschaft, in die ihr hineingeboren wurdet), aber ihr müsst euch von innen her ändern.“ Hat ein Mensch sich innerlich geändert, wird man natürlich auch im Äußeren die Merkmale des inneren Wandels wahrnehmen. So also ist (wirkliche) Liebe.
Wenn ein Alkoholiker in die Stadt geht, bemerkt kaum einer, dass er süchtig ist. Aber jemand, der auch trinkt, wird an seinen Augen erkennen, dass er ein Trinker ist. Er wird sich ihm anschließen und fragen, ob er etwas zu trinken für ihn hat. Das ist ganz natürlich. Selbst wenn er nur einen Funken Berauschung in seinen Augen findet, kann er ihn ganz einfach erkennen. (So ist es auch mit jemandem, der die innere Berauschung hat.) Ansonsten ist es sehr schwer, jemanden, der diesen Funken der Liebe in sich hat, zu erkennen. Nur wer sich danach sehnt, kann Ihn erkennen, andere nicht.
Das ist der richtige Zugang, und es beginnt bei uns selbst. Wenn wir uns wirklich danach sehnen, werden wir es erhalten. Wenn wir es wirklich brauchen, werden wir es erlangen. Aber nicht, wenn wir nur darauf schauen, dass andere es erhalten haben, und wir es deshalb auch wollen. Wir müssen uns wirklich danach sehnen und einen so leidenschaftlichen Wunsch danach haben, dass er unser ganzes Leben bestimmt.
Das, was wir suchen, ist innen zu finden; suchen wir es aber außen, führt es nur zur Verzögerung. Wie könnten wir es außen finden? Manche wollen die Meisterkraft beurteilen, aber das können sie nicht, denn Er steht über aller Beurteilung. Er ist jenseits aller Grenzen. Es ist allein eine Sache der Hingabe. Es kommt allein darauf an: Was ihr von Ihm ersehnt, das wird euch gegeben. Ihr wisst nicht, was die anderen sich von Ihm wünschen, aber ihr müsst wissen, was ihr euch von Ihm erwartet. Wenn ihr wirklich Gott wollt, werdet ihr Ihm ganz sicher begegnen.
Zur Zeit Kabirs lebte Dani Dharam Das – er war einer der reichsten Männer Indiens. Trotz seines Reichtums war er sehr liebevoll, aufrichtig und gottesfürchtig in all seinem Tun, und wer alle diese Tugenden in sich trägt, denkt ganz sicher an Gott. So hatte er begonnen, Gott auf traditionelle Weise zu verehren. Nun sieht die Meisterkraft, die über uns ist, wo ein Herz nach Ihm verlangt. Darum ging Kabir zum Haus von Dani Dharam Das. Als Er dort ankam, war dieser gerade dabei, vor seinen Götterstatuen aus Stein zu beten. Kabir hob die Götterfiguren nacheinander an und stellte fest: „Diese hier ist schwer, diese ist leichter und diese wieder etwas schwerer.“ Dani Dharam Das sprach: „Wer seid Ihr, dass Ihr es wagt, mich in meinem Gebet zu stören?“ Doch als er sich umschaute, war in einem Augenblick niemand mehr zu sehen. Er dachte, eine gewisse Unwissenheit sei nun beseitigt. Gott erschien ihm, um ihn auf seine Unwissenheit hinzuweisen, ansonsten wäre er mit dieser Unwissenheit erst nach seinem Tod konfrontiert worden. Kabir erschien ein weiteres Mal und verlangte nach Dani Dharam Das, als dieser gerade sein Essen einnahm. Seine Frau sagte zu dem alten Mann: „Er isst gerade und wird in einer Weile zu euch herunterkommen.“ Doch Kabir verlangte abermals nach Dani Dharam Das. Seine Frau sprach: „Ihr seid ein Sünder, ihr wisst nicht, wie man sich benimmt, wenn man ein (fremdes) Haus betritt.“ Kabir erwiderte: „Nicht ich bin der Sünder, ihr seid Sünder, denn in eurer Küche verbrennen Insekten im morschen Feuerholz.“ In diesem Augenblick wurde sie sehr aufmerksam, denn sie pflegten das Holz zu waschen, bevor sie es verbrannten. Doch im Innern des morschen Holzes waren Tausende von Insekten, die mitverbrannten, das konnten sie danach in der Küche feststellen.
Dani Dharam Das wurde sehr ärgerlich auf seine Frau: „Du hast dem alten Mann Unrecht getan; es war Gott, der zu uns kam“, und er bedauerte zutiefst ihr Verhalten. Seine Frau entgegnete: „Ein reicher Mann wie du braucht sich deshalb nicht zu sorgen, du kannst einige Yajnas abhalten (ein frommer Brauch, Sadhus, Heilige und Arme zu speisen). Es können viele Fliegen auf der Melasse sitzen.“ Und er begann damit, nur um diesen Heiligen zu sich zurückzuholen. Eine solche Kraft mag ständig an jemandes Seite sein, doch es kann sein, dass derjenige sie während seines ganzen Lebens nicht erkennt. Denn es liegt allein in Seiner Hand, jemanden zu entwickeln, ansonsten kann niemand sich selbst helfen. Nachdem sie viele Yajnas abgehalten hatten, gingen sie bankrott. Sie hatten nicht einmal mehr Geld für Essen. Ihre Aufmerksamkeit war vollkommen auf die richtige Sichtweise des Lebens konzentriert, so dass sie darüber ihre Geschäfte vergaßen. Um der Wahrheit willen wollten sie alles beenden. Kabir gab ihnen diese (dem Weltlichen) vollkommen entgegengesetzte Sichtweise.
Schließlich beschlossen sie beide, sich in den Fluss zu stürzen, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Sie gingen zusammen zum Ganges, und als sie sich gerade ins Wasser stürzen wollten, erschien Kabir, fasste sie am Arm und fragte: „Wo geht ihr hin?“ „O Meister, jetzt, da wir nichts mehr zu essen haben, kommt Ihr, Ihr wäret besser früher gekommen, dann hätten wir auch Euch dienen können.“ Kabir sprach: „Diese Fliege setzt sich nicht auf die Melasse, sie kommt aus Desh.“ Desh bedeutet „aus der ewigen Heimat“. Später, nach der Initiation, fragte Dani Dharam Das Kabir: „Woran liegt es, dass sich durch Eure Gnade unser Zustand so verändert hat?“ Kabir antwortete: „Zuvor war euer Zustand wie der eines Hundes, der im Spiegelkabinett wieder und wieder sein eigenes Spiegelbild anbellt – das war ein Zustand großer Unwissenheit.“ Er fuhr fort: „Euer Zustand war wie der eines Affen.“ – Der Affe umklammert den Ast sehr fest (wenn man ihn zu fangen versucht), er „hängt“, in jedem Sinn des Wortes, an dem Ast, denn er glaubt, der Ast wird ihn nie verlassen. Und Er sagte weiter: „Ihr wart wie der Löwe. Wenn er sein Spiegelbild im Brunnen sieht, springt er hinein und verliert dort sein Leben. So war euer Zustand, er war so aufgrund eurer Unwissenheit.“ Der Mensch begeht diese Dinge durch seine Unwissenheit, und deshalb ist er an die Welt gebunden. Wenn ihr alles mit richtigem Verstehen tut, gibt es kein Problem. Alles wird so klar werden, wie man es sich nur denken kann. Im Licht der Sonne erscheint alles in seinem ursprünglichen Zustand. Mit richtigem Verstehen können wir unsere Schwächen beobachten und uns selbst helfen, sie zu überwinden. …
Die Frage, wer wir sind, woher wir kamen und was der Sinn unseres Lebens ist, ist eine wichtige Frage, die vor uns steht – es ist die allerwichtigste Frage unseres Lebens. Wir sind ein Tropfen (aus dem Meer) der Gotteskraft, wir sind vom selben Wesen wie Gott. Wir sind nur von diesem Körper umhüllt, und selbst der gehört nicht uns. Wir haben ihn von der Welt erhalten, er ist Staub. Er ist nur ein Häufchen Staub, und wir lieben ihn, das ist unsere Unwissenheit. Er ist nicht unser Gefährte (er wird nicht mit uns gehen); so lange wir darin leben, machen wir ihn schön, ziehen wir uns aber davon zurück, ist es nicht mehr als ein Häufchen Staub.
Gott ist Liebe, und der Weg zurück zu Gott führt über die Liebe. Und was ist Liebe? Sie beginnt bei der Trennung. Wir sind getrennt (von Gott) und müssen wieder zu Ihm gelangen, und danach sehnen wir uns. Wenn sich diese Sehnsucht erhebt, beginnen wir, die Trennung zu beenden. Es ist nur durch diese Sehnsucht möglich und durch eine alles überwiegende Leidenschaft; wenn sie da ist, entwickelt sich die Sehnsucht weiter. Diesen Weg muss jeder gehen, es gibt keinen anderen.
Im Koran heißt es: „Wenn du nach Mekka gelangen möchtest, nimm den Weg über das Meer und nicht den Landweg.“ Heutzutage fliegt man mit dem Flugzeug, und die Menschen können mit dieser Aussage nichts anfangen. Sie sagen, wir müssen Mekka erreichen, ob über den Seeweg oder per Flugzeug, das ist gleich. Aber was bedeutet es? Das heißt, dass wir nur über das Meer, die Tränen der Sehnsucht, Mekka (unseren Bestimmungsort) wirklich erreichen können.
Ihr müsst euch nach Ihm sehnen, mit Tränen in den Augen. Ihr solltet immer an diese Kraft denken. Denkt nicht darüber nach, wo ihr steht, sondern denkt daran, wo ihr hingehen müsst. Daran solltet ihr immer denken, denkt an euer Ziel. Denn es kommt eine Zeit, da müsst ihr diesen Körper verlassen, ihr müsst diesen Ort verlassen, eure Verhaftungen, eure Verwandten und Kinder, alles. Was wird euch begleiten? Nur das, was ihr (innerlich) entwickelt habt, während ihr im Körper wart. Wenn ihr nichts erreicht habt und nichts vorweisen könnt, was werdet ihr dann dort (im Innern) zu eurer Verfügung haben? Wie könnt ihr dann euren Gefährten zufriedenstellen? Was geschieht dann? Wir werden von Ihm getrennt. Wer trennt uns von Ihm? Der Engel des Todes, die negative Kraft, die uns immer in dieser Welt halten möchte, sie trennt uns von Gott, unserem Geliebten.
Jeder möchte mit dem Geliebten gehen. Man möchte mit Ihm in Verbindung sein. Werden wir aber von Ihm getrennt, wie groß ist dann unser Schmerz! In diesem Zustand ist also die Seele zum Zeitpunkt des Todes, mit Gewalt wird sie dann von ihrem Ursprung weggezogen. Dann fühlt sie: „Mein Geliebter wartet auf mich.“ Sie erhält einen kurzen Blick auf diese Kraft, und dann weint sie, denn sie ist in der Falle des Todes und wird von ihrem Ursprung weggerissen. Von der Quelle getrennt zu werden, zu der alle gelangen wollen, ist ein tragischer Tod.
Das wollte ich gestern damit sagen, als ich erklärte, dass wir alle ohne Grundlage sind, dass wir keine (spirituelle) Basis geschaffen haben (die uns trägt, wenn wir die Welt verlassen). Wenn sich jemand diese Grundlage geschaffen hat, ist er ein wertvoller Mensch in der Welt. Wer sich aber diese Basis nicht geschaffen hat, ist schwankend, er steht auf wackeligen Beinen. Jeden Augenblick kann er die Welt verlassen müssen, aber er wird mit leeren Händen gehen.
Kabir sagt: „Ich habe Süßes in beiden Händen.“ Seine Hände sind voll Süßem, während die Menschen mit leeren Händen (in die Welt) kommen und mit leeren Händen wieder gehen. Kabir sagt: „Ich habe mit meinem Geliebten einen Handel vereinbart. Wenn ich gewinne, gehört Er mir, gewinnt Er, gehöre ich Ihm. Verliere ich das Spiel, bin ich in Seiner Hand, umgekehrt habe ich Ihn in meiner Hand. Beide Male habe ich Süßes in Händen, ich stehe nicht mit leeren Händen da.“ Wir müssen also etwas in der Hand haben. Das ist nur möglich, wenn wir Ihn in unserem Herzen bewahren. Man muss sich nach Ihm sehnen.
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