Die höchste Form des Yoga

Vortrag von Sant Kirpal Singh, USA Tour 1972

Das Wort Religion bedeutet „re“ – zurück und „ligio“ – binden. Unsere Seele wieder mit Gott zu verbinden, das ist die Bedeutung des Wortes Religion. Ähnlich stammt der Begriff „Yoga“ von der Wurzel „yuj“ ab, was bedeutet, unser Selbst mit Gott zu vereinen. Die Religionsgemeinschaften entstanden nur, um zu lehren, wie wir uns mit Gott verbinden können – das ist das letzte Ziel aller äußeren Religionen. Die Wissensgrundlage für all diese Religionen ist ein und dieselbe, gleichgültig, ob sie aus dem Osten oder dem Westen kommen – da gibt es keinen Unterschied.

Es gibt eine Vielzahl von Yogaarten und auch ihr Ziel ist ein und dasselbe – Gott zu erkennen. Das letzte Ziel aller Yogasysteme ist, in Brahm versunken zu sein, in Gott aufzugehen. Es gibt Hatha Yoga, Prana Yoga, Bhakti Yoga, Gyan Yoga usw., und das letzte Ziel aller Yogaarten ist es, mit unserem Selbst in Gott aufzugehen – eins mit Ihm zu werden. Das Ziel bei allen Yogaarten ist also, wie Shankara es darlegt, in den Samadhi einzugehen, um eine Erfahrung von Gott erhalten zu können. Doch es gibt zwei Arten von Samadhi: Der eine ist auf der Ebene der Materie und der andere ist bewusster Samadhi. In vielen Fällen wird man feststellen, dass Menschen den unbewussten Samadhi erfahren; sie lassen sich (zum Beispiel) für einige Tage bei lebendigem Leibe eingraben und kommen dann wieder zurück. Doch das ist kein bewusster Samadhi. Es gibt eine höhere Art von Samadhi, den man „bewusster Samadhi“ nennt, da man dabei innerlich bewusst bleibt. Hatha Yoga ermöglicht es, körperlich leistungsfähig zu bleiben – jeder Yoga hat seinen eigenen Schwerpunkt. Prana Yoga kann euer Leben verlängern. Normalerweise atmen wir ungefähr acht bis zehn Mal in der Minute. Wenn man Prana Yoga praktiziert, kann man den Atem kontrollieren (d.h. seine Frequenz reduzieren) und dadurch so weit wie möglich sein Leben verlängern. Dann gibt es Bhakti Yoga, den Yoga der Hingabe. Um diesen Yoga zu praktizieren, muss man von einer Hypothese ausgehen. Doch das führt letztlich nicht zu Brahm – der formlosen Stufe. Ihr wisst, Paramhansa Ramakrishna folgte dem Bhakti Yoga – dem idealen Bhakti Yoga im Osten – und er verehrte Gott in der Form der Mutter. Er sah die Mutter überall – im Inneren und im Äußeren. Doch er konnte sich nicht zur formlosen Stufe erheben. Schließlich ging er zu seinem Guru, der Totapuri hieß, und sagte zu ihm: „Überall sehe ich die Form der Mutter, aber ich kann mich nicht über diese Dualität erheben. Wie ist das möglich?“ Da nahm Totapuri eine Glasscherbe und drückte sie ihm zwischen die beiden Augenbrauen. Gleichzeitig gab er ihm einen Auftrieb, und so konnte er sich in den Samadhi erheben.

Als nächstes kommt Gyan Yoga, der auch Jnana Yoga genannt wird. Auch in diesem Yoga kann man nur kleine Einblicke ins Jenseits bekommen, man kann dort nicht immer bleiben. Eine Erklärung dafür gibt die östliche Philosophie, die beschreibt, dass die Seele von verschiedenen Umhüllungen bedeckt ist. Es gibt „Ana-mai-kosh“, „Pran-mai-kosh“, und „Vigyan-mai-kosh“ ist ebenfalls eine dieser Hüllen – es ist nicht das letzte Ziel. Shankara lehrte: „Es ist alles der formlose Zustand und man kann in ihn eintreten.“ Doch Ramanuja stimmte nicht mit ihm überein, sondern gab dem Vashisht Yoga recht, der behauptet, dass man zwar im Samadhi vom Allbewusstsein durchdrungen werden, aber nicht die formlose Stufe erreichen kann. Ramakrishna und die anderen weisen darauf hin, dass man sich über das Körperbewusstsein erheben muss, und sie kamen voran.

Patanjali teilte alle Yogaarten in ein abgestuftes System ein. Zusammenfassend stellte er zwei Dinge fest – einmal, dass es für die Seele möglich ist, sich über das Körperbewusstsein zu erheben, und zum anderen, dass die Seele ihre Energien konzentrieren kann, ohne den anstrengenden Weg über die Pranas zu nehmen. Beim Prana Yoga muss man den Atem kontrollieren. Schließlich kam er (Patanjali) zu dem Schluss, dass man sich auch ohne die Pranas erheben kann. Die volle Verwirklichung oder der wahre Samadhi bedeutet nicht, sich nur vom physischen Körper zurückzuziehen, wenn das auch der erste Schritt ist – das ABC des Jenseits fängt an, wenn ihr euch über das Körperbewusstsein erhebt. Wo die Philosophien der Welt enden, beginnt die wahre Religion. Dieses ABC beginnt also, wenn ihr euch über das Körperbewusstsein erhebt.

Die Aufmerksamkeit ins Jenseits zu bringen ist sehr schwierig, manche Menschen, die nicht die rechte Führung erhalten, können sich leicht verlieren. Aus diesem Grund haben (die Meister) erklärt, dass wir einen Weg brauchen, bei dem wir von der Bindung frei werden. Ihr werdet feststellen, dass Hatha Yoga, Prana Yoga, Bhakti Yoga und Jnana Yoga keine endgültige Befreiung aus den bestehenden Fesseln ermöglichen, auch nicht Schritt für Schritt. Wir brauchen etwas, das uns in jeder Hinsicht hilft. Prana Yoga kann uns nur bis zu einer bestimmten Stufe bringen, Jnana Yoga kann uns nur einen kleinen Einblick ins Jenseits gewähren, wir können nicht immer dort bleiben. Aus diesem Grund war Ramanuja nicht mit seinem Vorgänger einverstanden. Er lehrte Vashisht Yoga (Advaita), der sagt, dass man Zugang zum Jenseits haben kann, aber dort nicht im unbedingten Zustand bleiben kann.

Schließlich kommt der Yoga des Tonstroms, welcher die höchste Form von Yoga und der natürliche Yoga ist. Dieser Yoga überwindet all die Probleme, die es bei anderen Yogaarten gibt. Er ist der natürlichste und leichteste von allen. Er kann von jedermann praktiziert werden – gleichgültig, ob er jung oder alt ist. Die Meister dieses Yoga lehren uns, dass der Absolute Gott, obwohl Er in Seinem ursprünglichen Zustand ohne Attribute ist, sich selbst in Formen projizierte und zwei ursprüngliche Attribute hat: Licht und Ton. Als Gott den Wunsch hatte: „Ich bin Einer und möchte Viele werden“, gab es eine Schwingung, und diese Schwingung trat als Licht und Ton in Erscheinung. Gott ist also das Licht- und Tonprinzip, Gott ist die „Musik der Sphären“. Gott wird „Nada“ und „die Stimme Gottes“ genannt.

Eine umfassende Einführung zum Thema Yoga finden Sie in Sant Kirpal Singhs Buch (auf Englisch): The Crown of Life, ¹1961.